15. Mai 2018

2015 Martinique und St Lucia

Nun bin ich schon seit 4 Tagen auf St. Lucia und ihr seid überhaupt nicht mehr auf dem Laufenden.

Also: Martinique war klasse, das Zelten weniger. Nur durch meine tolle, teure Thermarestmatte und das Stühlchen konnte ich überhaupt überleben. Aber für das ständige "Imsandliegen" und auf dem Boden rumkriechen bin ich wohl doch zu alt, zumal kein Kocher dabei. Mein Frühstück bestand, besteht auch jetzt teilweise und wird mich noch die nächsten Wochen begleiten, aus Mineralwasser und Grapefruit oder Bananen, was nicht das Schlechteste ist zum Abnehmen.  Da ich nichts lagern kann im Zelt, keine Kühlgelegenheit habe, bleibt nicht viel über. Preise sind unglaublich hoch auf Martinique, Essen gehen ist nicht drin, bleibt nur Obst, manchmal Gemüse oder im Lokal am Strand trockenes Hähnchenbein mit Pommes, Getränk für sage und schreibe 18 Euro.
Der Transport geht einigermaßen, ein Taxico (10 bis 15 Personen geeignet) kostet ca 10 Euro für die Strecke zur Fähre, 1 Stunde.

Nun aber zum Positiven: der Strand liegt vor meiner Nase, bin oft stundenlang im Wasser und genieße Meer und Sonne satt. Abends gehe ich in das nahegelegene Örtchen. Lerne einen deutschen Langzeitsegler kennen, den Sibille in der Karibik mal gefragt hat, ob sie mit ihm und seiner Frau mitsegeln könne. Hätte er gerne, jedoch Boot wäre zu klein. Er hat sie weitergeleitet an einen, der mit ihr wohl später durch den Panamakanal gesegelt ist und von ihr und ihren Seglerbegabungen und Kochkünsten total angetan war. Erinnerst du dich Sibille? Wir haben einen netten Abend, er reist mit Boot seit mehr als 20 Jahren, hat Weltumsegelung gemacht, interessant, aber Mann ü 70 mit Goldkettchen ist dann doch nicht nach meinem Geschmack.

Ich mache Autostop, ein netter junger, scheinbar einsamer Franzose hält an, nimmt mich mit und bringt mich statt zu seinem Ziel, direkt zu meinem Campingplatz. Er fragt mich etwas in der letzten Minute. Ich verstehe, dass er mit mir einen trinken möchte. Klar, warum nicht. Aber nein, DAS möchte er nicht. Er möchte irgendwas mit bubu, oder tchi tchi oder tirili in meinem Zelt. Ich ahne es, breche aus vor Lachen und meine, ne, tirili in meinem Zelt ginge nicht, wär zu klein, worauf er natürlich zu Bedenken gibt, dass er nicht viel Platz bräuchte mit mir zus. Das glaube ich ihm, mache mich jedoch flugs von dannen. Dinge erlebt frau so auf Reisen...

Ich stelle auf Insel Nr. 1 fest: es geht nix ohne Auto. Man ist sozusagen "stuck on the island".
Morgens um 6 Uhr raffe ich alle Sachen zusammen und latsche mit meinem inzwischen 21 kg wiegenden Rollsack zur Haltestelle, dann 1 1/2 Std und ich bin an der Fähre. Nochmal  die gleiche Zeit und ich bin in St. Lucia. Werde abgeholt von Lyz, einer Couchsurferin, 58,  und ihrem Sohn. Durch den Stau geht's in den Norden der Insel zu ihrem Haus. Es liegt oberhalb von der Rodney Bay und man hat einen tollen Blick über die ganze Bucht. Sie ist auf der Insel geboren, hat 3 Töchter, 1 Sohn. Sie zeigt mir Bilder der Töchter, unfassbar schöne Frauen. Eine war angeblich Miss World, mein Gefühl weiß nicht, ob es das glauben soll. Egal, es ist supernett mit ihr. Ihr Mann, ein überaus gut aussehender, hochgewachsener Typ, aufgewachsen in England, dann Trinidad, wo er und Lyz sich kennengelernt haben. Sie haben zus eine it-Firma.
Am nächsten Abend mache ich für alle einen deutschen Nudelauflauf, den alle begeistert zu sich nehmen. Wir genießen Oldies aus meinem Speaker und alle sind zufrieden.

Ich staune über St. Lucia: alles ist total anders als auf dem europäischem Martinique. Logo, ist ja auch eigenständig, man zahlt mit EC Dollar oder American Dollar. Alles ist amerikanisch, laut, schnell aufbrausende Menschen, ich bin im Amüsierviertel von St. Lucia gelandet, oh mein Gott, und das ich! Rechte Straßenseite Esslokale, linke Seite Hotels! Na, das fängt ja gut an. Lyz bringt mich zur Bay und ich will sehen, wie ich den 1. Tag rumkriege. Mir fällt nicht viel ein, ich setze mich an eine Einfahrt zum Hafen und schaue erst mal auf die einfahrenden Milionärsjachten, komme mir ja sooo arm vor!
Was soll ich bloß den ganzen Tag machen? Und wie das Leben so spielt, es kommt anders als man/frau denkt.
Ein Mann kommt an diese komische Ecke, sieht mein deutsches Buch und spricht mich an. Er ist Schweizer, wir sprechen lange und gehen nach einer Weile Richtung Hafen. Stundenlang unterhalten wir uns angeregt und plötzlich stellen wir fest, dass wir uns bereits kennen. Ich falle tot um. Wir waren vor 4 Jahren auf dem selben Boot auf Boracay, Philippinen, hatten uns auch da lange unterhalten. Unfassbar, und das stellen wir nach so vielen Stunden fest. Er fährt am nächsten Tag weiter nach St Vincent. Ich bleibe, nett war's. Man sieht, wie klein die Welt ist.

Ich fahre mit Bus 2 1/2 Stunden NUR durch grünen, dichten Jungle mit 1000 und einer Kurve Richtung Soufrière. Unterwegs muss der Busfahrer anhalten, da bei mir alles oben wieder rauskommt vor lauter Kurven. Mir wird gesagt: Camping? Gibt's nicht auf St. Lucia, na klasse, stand im Buch.  Eine Frau bringt mich zum Tourist Office und mir wird ein Guest House an einem steilen Berghang genannt, das ich noch einigermaßen bezahlen kann, 40 Euro. Ich ziehe meinen Rucksack irgendwie an Straßengräben vorbei, es geht steil den Berg hinauf, ächze vor Hitze, der Schweiß läuft mir nur so runter, eine Stunde vergeht mindestens auf der Suche nach meinem Zimmer.  Ich frage mich, warum ich mir in meinem Alter so etwas noch antue, ärgere mich. Natürlich hilft keiner. Völlig fertig komme ich in der Pension an, 40 Stufen muss ich mein Gepäck hochwuchten, keiner da, klasse. Egal, ich muss erst mal wieder zu mir kommen nach dieser Tortour. Nach einer Stunde kommt Lady und gibt mir das "beste" Zimmer. Bruchreif ist gelinde ausgedrückt, nichts geht. Kein Strom, Kühlschrank funktioniert nicht, Elektrik wird repariert, "Küche" komplett versifft, Toilette muss jeden Tag repariert werden, ABER: DIE AUSSICHT ist der Hammer! Überblick über die ganze Bucht, Segelschiffe, die anlegen, Fischerboote. Ist ein Eckzimmer mit Balkon! Es entschädigt für alles und ich halte die Klappe, genieße nur noch. Muss mich erst mal an die amerikanische Art von Karibik gewöhnen. Ich liebe ja laut dröhnende Musik. Hier komme ich auf meine Kosten. Reggae in Hochform mit "Hunderttausend Volt". Rasta Man, typisches Karibik Feeling. Zuerst kann ich mich nicht an diese so andere Lebensart gewöhnen, jedoch geht's jeden Tag besser. Hier wird man/frau belästigt bzgl Geldmacherei, fast wie in Asien. Es herrscht eine locker, laute, fröhliche Lebensart, die mir doch so langsam anfängt zu gefallen. Das Örtchen Soufrière gefällt mir. Bin jeden Abend im gleichen Lokal " über" dem karibischem Meer und trinke Cocktails noch und nöcher.

Noch ein Event in dieser Bruchbude: es ist Valentinsnacht, ca 4.00 Uhr morgens. Es schüttet draußen aus Kübeln auf das "wunderbare" Blechdach, ich wache auf von dem Lärm. Ein Presslufthammer ist nix dagegen. Irgendwas ist vor meiner Eingangstüre am Gange. Ich höre ab und an ein Wimmern, leichtes Rappeln an meiner Tür. Mein Gott, was ist das? Ich klettere auf's Sofa, versuche rauszuschauen, nix. Ich halte krampfhaft den Schließknopf zu, warte. Mir wird Angst und Bange. Ich geh auf meine Terrasse und schaue um die Ecke - und was sehe ich? Ein nackter Mann und eine halbnackte Frau " vergnügen" sich auf MEINER Terrasse. Ich sage: Hello? Hab es vermieden zu fragen: what are you doing there? Wär zu blöd gewesen , weil klar war, was dort lief. Antwort: Shall we go to our room? Ich meine, ja, das wäre doch mal eine Maßnahme! Oder ob ich mitmachen könne? Scherz, vielleicht wär das ja auch eine Option gewesen, oder was meint ihr?

So vergehen die Tage in St. Lucia. Ohne Auto ist' s jedenfalls doof. Irgendwie komme ich doch mit Glück zu den zuckerhutförmigen, fotogenen Berge, Gros Piton (798 m) und Petit Piton (736 m), die sich bei Soufrière steil aus dem Meer erheben und als Wahrzeichen der Karibik gelten. Sie sind das Resultat der vulkanischen Tätigkeit in erdgeschichtlicher Zeit.
Insgesamt ist die Insel von außerordentlicher landschaftlicher Schönheit und trägt zu Recht den Beinamen "Helen of the Caribbean".
Ich fahre zum angeblich einzigen befahrbaren Vulkan der Welt (oder der Karibik, das ist nicht so ganz klar), den Sulphur Springs, genannt auch "Drive-In-Volcano".Es stinkt nach Schwefel, sieht alles sehr bizarr aus, siehe Fotos. Diese dampfende und kochende Landschaft gab Soufrière den Namen.

Trotz meiner seit Wochen schmerzenden Füße laufe ich sehr viel und es geht zum Diamond Botanical Gardens, Waterfall and Mineral Bath. Dort bleibe ich teilweise 3 Stunden im Wasser. Ein weiterer Pool, bzw. 3 Becken,  sogenannt "Jerusalem Bath" befindet sich mitten im tropischen Jungle und ich lass mich wieder durchweichen. Ein herrlicher Treffpunkt, um interessante Reisende zu treffen, meistens allerdings Amerikaner 😁. Aber ich treffe doch auch mal "selbst organisierte" deutsche Mädchen. Sie sind süß. Eine hat ein halbes Jahr auf Martinique studiert, macht jetzt mit ihrer Freundin auf St. Lucia Urlaub. Sie sind auf Martinique beklaut worden aus dem Mietauto, aber, ist es wirklich ratsam, Geld und Pässe im Auto zu lassen? Wohl eher nicht. Wieder andere 3 Mädchen aus Deutschland treffe ich abends in meinem Stammlokal, sie verbringen 3 Wochen hier auf St. Lucia, finden es auch toll hier.

Jeden Tag krieche ich irgendwie einen Hügel hinauf, um wieder einen spektakulären Ausblick zu ergattern, oft jedoch werde ich von netten Leuten mitgenommen, wofür ich sehr dankbar bin. Ja, ergibt sie, einige wenige Einzelreisende, wenn auch wenige. Es ist eben allen zu teuer hier. In St. Lucia gibt es leider auch wieder bzw überwiegend die unvermeidlichen Gruppen, auch natürlich aus Deutschland. Kommentar? Nein, lieber nicht..

Nach einem Aufenthalt von 8 Tagen auf St. Lucia werde ich nun morgen in den Hauptort nach Castries fahren und übermorgen geht's mit Schiff weiter nach Dominica.
Es bleibt spannend. Das Reisen ist und bleibt eine riesige Herausforderung für jeden Einzelreisenden in der Karibik und ist nach meinen bisherigen Erfahrungen auf meine Art jedenfalls nicht zu empfehlen, zu teuer, zu schwierig, ständige Organisation von teuren Unterkünften, Fähren, Busse, Taxen.

Häuser auf Martinique
Firmung in St. Anne auf Martinique

Das ist die bekannte Schiffslinie, die 4 Inseln verbindet und die mich nach St. Lucia bringt



Ankunft in Castries, St. Lucia, ein Kreuzfahrtschiff liegt im Hafen 

Lange Prozedur beim Check-In, das Mädchen ist zu süß

Aussicht von meiner Couchsurferin Lyz im Norden von St. Lucia, im Vergnügungsviertel Rodney Bay

Lyz and Peter, my hosts
Der entsetzliche amerikanische Strand der Rodney Beach im Norden der Insel 

Ein buntes Boot nach meinem Geschmack, es verkauft Obst und Gemüse 

Das ganze Flair erinnert mich total an Florida, hier treffe ich Kurt wieder, den Schweizer

Markt in Castries

Rumverkauf

Aussicht von meinem Balkon, unfassbar schön

Mein Guesthouse von unten, nach fast jedem Aufstieg muss ich sofort duschen

"Royal Clipper", das größte segelnde Kreuzfahrtschiff der Welt, Nachbau der legendären Pamir
(Info von Sibille)

Segel werden gehisst

Hochzeit in Soufrière. Die ganze Karibik ist katholisch

Schlammbad im Schwefel 

"Drive-In-Vucano", alles dampft


Die Drei freuen sich am erfrischenden Wasser

Sugar Beach, Unterkunft ca. 2-3000 Dollar die Nacht. Einer der berühmten Pitons im Hintergrund , der Ändere ist hinter mir

Die beaches sind frei zugänglich, auch wenn sich dort immer Luxus-Ressorts befinden. Ein großer Nachteil von St. Lucia: an jeder schönen Beach befindet sich eine solche "Plage " der Reichen


Noch einmal Aussicht von meiner Terrasse, kann mich gar nicht satt sehen



Jungle

Das Wasser hat den Felsen durch den Schwefel so gelb gefärbt,  Diamand Fall


Straße in Soufrière , alles sehr gepflegt

Soufrière 
Es kommt ein einheimisches, sonntägliches Ausflugsboot vorbei. Nicht zu beschreiben, welche Lautstärke dort herrscht. Wacken ist nichts dagegen. Ich liebe Musik und auch die Lautstärke, ach wenn ich doch die Musik und auch nur einen Bruchteil der Lautstärke in das sooo unmusikalische Hachenburg bringen dürfte....

Ich bleibe hie in diesen warmen Quellen sage und schreibe 3 1/2 Stunden. Ständig kommen interessante Reisende 

























2005 Indien - Ladakh Teil 3


I N D I E N   -   H I M A L A Y A   -   2 0 0 5
Teil 3

Über die höchste befahrbare Straße der Welt in Ladakh bis zur Seidenstraße 

Ich trolle mich um 3.00 Uhr nachts mit meinem ewig zu schweren Rucksack zum bus station in Kargil, um die nächsten 234 km Busfahrt nach Leh, Zentrum Ladakh’s, zu bewältigen.

Das Grün des Kleides Kaschmir, vorher im Überfluss vorhanden, wird jetzt zur Seltenheit, wird zum Blickfang zwischen dem Grau, Gelb, Ocker, Beige und Braun der Hochgebirgswüste. Diese bizarre und karge Gegend fasziniert mich, sie wirkt wie eine fast unwirkliche Mondlandschaft. Bar jeder Vegetation ragen zerklüftete Bergspitzen steil in den Himmel.


Endlich, nach 6-stündiger Fahrt das erste Hinweisschild: „First View to Lamayuru“. Alle im Bus springen auf, um diesen ersten Blick auf eines der ältesten und bekanntesten Klöster der Gegend zu erhaschen. Aus weißem Lehm, den Überresten eines hier vertrockneten Sees, sind im Laufe der Jahrhunderte die bizarren Felsformationen entstanden, auf denen die älteren Häuser sowie das Kloster Lamayuru errichtet wurden. Hier in Ladakh, im „Hohe-Pässe-Land“ gibt es ca. 40 Klöster und mehr als 2000 Mönche – bei einer Gesamtbevölkerung von 125.000 Menschen. Die Mönche, die Menschen in allen Tälern ringsherum, sie alle verehren den Himalaya als Heimstatt der Götter. Anders, sagen sie, lässt sich die Existenz eines solchen Gebirges nicht erklären mit den höchsten Gipfeln der Erde und einer unglaublichen Vielfalt an Landschaften.

Ich lasse mich als Einzige an einer Biegung aus dem Bus schmeißen (wortwörtlich zu nehmen, da er dabei weiterfährt und alle Insassen entsetzt meinem fliegenden Rucksack einschl. meiner Person hinterher schauen). Die Höhe macht mir zu schaffen. Ächzend und stöhnend kraxele ich den Hügel zum Guesthouse hoch. Einer einheimischen Frau, die so locker vor mir her zu „fliegen“ scheint, tue ich so Leid, dass sie mir einen Teil des Gepäcks abnimmt und mich zum Ziel bringt. Nach Beziehen eines wunderbaren Zimmers genieße ich auf der Terrasse diese ungewöhnliche Landschaft. Sogar in dieser unwirtlichen Hochgebirgswüste haben sich Menschen einen Lebensraum erschlossen. Die grünen, künstlich bewässerten Felder gehören zum Kloster.

Nachmittags wandere ich langsam hinauf zu den Mönchen. Ich komme vorbei an 5 alten Frauen, die vor ihrem Haus sitzen und stundenlang aus unverarbeiteter Schafwolle, Knäule zum Herstellen von Kleidung produzieren. Ich versuche es auch einmal, worauf sie sich natürlich sehr amüsieren. Sie verstehen kein Wort Englisch, aber eine junge Ladakhifrau übersetzt unsere Konversation.


Diese zerfurchten, fröhlich aussehenden Gesichter begeistern mich und ich möchte unbedingt ihr Alter wissen, das sie jedoch selber nicht genau wissen, es liegt so bei Ende 80. Im Gegenzug muss ich natürlich auch meins preisgeben, worauf ein ehrfürchtiges Staunen beginnt. Klar, normalerweise sieht eine Ladakhifrau in den mittleren Jahren wesentlich älter aus als eine vergleichbare europäische Frau. Ich genieße die Bewunderung (manchmal ist das auch hier so, aber frau kann ja bekanntlich nie genug davon bekommen!) und ich würde gerne dort bleiben, um noch mehr von diesen Frauen zu wissen, aber ich will ja weiter auf dem beschwerlichen Weg nach oben zum Kloster auf 3680 m.

Es leben ca. 110 Mönche hier, der jüngste ist sieben Jahre alt, der älteste 89. Die kleinen Mönche, genannt Lobsang, finde ich einfach zu süß, wie sie den Alten unaufhörlich aus ihren schweren Kannen Buttertee ausschenken und Reis verteilen.
  

Ich habe das Glück und darf bei einer Puja (rituelle Gebetszeremonie) dabei sein. Ca. 15 kleine Gelbmützen (übersetzt „die Tugendhaften“) sitzen während der Zeremonie auf einer kleinen Bank und blicken in meine Richtung. Sie dürfen der Zeremonie noch nicht zuschauen wie die erwachsenen Mönche. Ich kann mich kaum konzentrieren, da sie alle nur Blödsinn machen. Sie gackern und kichern und formen aus Tsampa, Gerstenmehl, kleine Kügelchen, schneiden Fratzen, träufeln Buttertee in eine Minispritzpistole, mit der sie sich dann gegenseitig bespritzen. Und wenn ein besonders dicker Mönch mit gequetschter Stimme in den Kanon einfällt, dann krümmen sie sich und fallen lachender Weise fast in ihren Buttertee. Ich kann mich selber kaum einkriegen vor Belustigung, was natürlich alle ermuntert, es noch doller zu treiben. Dann springt plötzlich der Gekö , der Aufpasser der ganzen „Veranstaltung“ von seinem Podest auf und verteilt an alle der Reihe nach Backpfeifen. Dies scheinen die Lobsangs nicht so ganz ernst zu nehmen, der Kleinste jedoch, kämpft mit den Tränen, was mir so Leid tut, dass ich den Rest der Puja überlege, wie ich ihn trösten kann. Leider komme ich nicht dazu, da ich gar nicht so schnell gucken kann, wie sie am Ende hinaus laufen und sich in alle Winde zerstreuen. Ich bin beruhigt, auch hier sind die kleinen Mönche wie Kinder in aller Welt, sie müssen einfach ihre Portion Unbekümmertheit ausleben und Blödsinn machen.

Am nächsten Tag geht’s weiter nach Leh. Wenige Kilometer nach der bizarren Felslandschaft des Klosters verlässt die Straße das Hochplateau und steigt in einer atemberaubenden Fahrt in das tiefer liegende Tal hinab. Die vielen Kurven, die einer Schlange gleich langsam und bedächtig die Anhöhe verlassen, machen diesen Abschnitt zum spektakulärsten Teil der von Indern und Ladakhis im Jahre 1960 gebauten Militärstraße. Nach einigen Kilometern stoßen wir auf den Löwenfluss, den Indus, der nun ständiger Begleiter sein wird und ich genieße es, diesem berühmten Fluss so nahe zu sein. .


In einem nördlichen Seitental des Indus liegt Leh. Wurden bis vor 30 Jahren die Hauptstraßen dieses ehemals blühenden Handelszentrums vom bunten Bild der vorbeiziehenden Karawanen geprägt, galt es zu jener Zeit als Treffpunkt unzähliger Rassen und Nationen, die hier mit dem Warenangebot ihrer Länder Handel trieben, sind es nach der jahrelangen Isolation heute indische Soldaten, Horden von Touristen und Geschäftsleute der benachbarten Provinz Kaschmir, die in den Sommermonaten das Straßenbild beherrschen. Lediglich vor Winterbeginn tauchen vereinzelt verwegen aussehende Nomaden auf, um mitgeführte Wolle, Yakbutter oder getrockeneten Käse gegen die für sie verlockenden Produkte indischer Herkunft einzutauschen.

Wenn ich auch nicht das Leh meines letzten Besuches im September 1998 erwartet hatte, so dachte ich doch nicht, dass ich zunächst einmal sooo enttäuscht werden würde.
Der Horror eines jeden Backpackers: Touristen vertreiben sich gruppenweise die Zeit und verderben die Preise der Unterkünfte und aller angebotenen Artikel, weil sie einfach alles zahlen.
Man tummelt sich auf den Straßen und ich stelle mir die Frage: Ist das hier Mallorca geworden? Ich bin entsetzt. Wie kommt es, dass sich Gruppen von Menschen, egal welcher Nationalität im Ausland oft negativ auffallend verhalten?
Diese Horden, leider muss ich es sagen, bestehen oft aus jungen Israelis. Sie sind am härtesten drauf, kommen in Jeeps, brüllen sich auf der Straße an, missachten sämtliche Anstandsregeln in Klöstern, fotografieren jegliche Situation, Mädchen kleiden sich wie am Strand von Ibiza, Männer protzen mit den geliehenen Enfield-Motorrädern. Eine ganze Generation muss in Indien sein. Ich spreche mit einigen Backpackern über dieses negative Phänomen. Alle unterstreichen dieses Bild, in mehr und mehr Ländern fallen diese jungen Leute negativ auf. Wir überlegen, warum das wohl so sein könnte. Nach ihrem Armeedienst zieht es die jungen Leute alle außer Landes. Sie sind froh, dem Druck entronnen zu sein, fliegen in ein Land, egal welches, Hauptsache billig und meinen dann, sie sind die Kings.
Ich bin froh, irgendwann auch eine alleinreisende, junge Israelin zu treffen, die glücklicherweise sehr nett, hilfsbereit und interessiert ist an Land und Leuten und mein Bild wird wieder ein bisschen gerade gerückt.

Dennoch frage ich mich: Wo bleibt die Kultur der Ladakhis bei dieser Überschwemmung von Touristen? Besteht der zukünftige Lebensinhalt eines Ladakhi nur noch aus Anbieten von Trekkingtouren und Mopeds, Verramschen von Kulturgut, Übersohrhauen von Touristen? Ich erkenne den Ort nicht mehr wieder, alles zugebaut mit Verkaufsbuden, trekking agencies; in vielen Zelten werden von Tibetern Musik, Schmuck, Schals etc. angeboten und es wird gehandelt ohne Ende. Verliert dieses Volk seine Seele? Traurig, ratlos und bedrückt sitze ich am 2. Tag in einem Cafe und schaue dem Treiben zu. Als ob es so sein soll, lerne ich eine Frau aus Australien kennen, die mein Befinden erkennt und die mir rät, ein anderes Guesthouse zu suchen, außerhalb von Leh, hoch oben über dem Ort. Sie weist auch auf einen täglich gezeigten Film über Ladakh hin, in einem Treffpunkt, genannt „Women’s Alliance of Ladakh“, gegründet Anfang der 90er Jahre, um die negativen Folgen der Moderne aufzufangen. Hauptziele sind die Erhaltung der traditionellen landwirtschaftlichen Anbaumethoden, die Sensibiliserung der Ladakhis für ihre Kultur im Allgemeinen und Diskussionen über die Rolle der Frau in der zukünftigen Gesellschaft. Ein Haus, gegründet von  d e r  Frau in Ladakh schlechthin: Helena Norberg-Hodge, Trägerin des alternativen Nobelpreises.

[Mit dem Alternativen Nobelpreis geehrt werden Personen und Initiativen, die vorbildhafte Lösungen für die drängendsten Probleme der Menschheit erarbeiten und hoffnungsvolle Wege in eine bessere Zukunft aufzeigen.]

Auf Grund dieses Gespräches wechsle ich natürlich sofort mein Quartier und sehe mir den beeindruckenden Film über Ladakh und das Leben und Schaffen dieser außergewöhnlichen Frau an.
Helena Norberg-Hodge öffnet uns die Augen für die Lebensweise dieser alten Kultur. Als sie in den 70er Jahren als eine der ersten Besucher aus der westlichen Welt hierher kam, lernte sie die Sprache und Lebensweise der damals noch völlig unberührten Kultur sowie die Fröhlichkeit der Ureinwohner kennen. Die Schwedin beobachtete in den darauf folgenden Jahren die zerstörerische Kraft von Tourismus und Entwicklung im westlichen Sinn und wurde zur vehementen Kritikerin der Konsumgesellschaft. Sie gründete 1978 das Ladakh- Projekt, eine Vereinigung von Ladakhis und Menschen aus dem Westen, die mit angepasster Solartechnik, regionalen Landwirtschaft-, Schul- und Gesundheitsprojekten den Weg der „Sanften Entwicklung“ aufzeigen und unterstützen.
[Nicht nur ein Buch über Ladakh, sondern ein Buch über unsere ganze Welt und unsere Zukunft und für Menschen, die über Nachhaltigkeit und Globalisierung diskutieren möchten: Helena Norberg Hodge: Faszination Ladakh, April 2004]
    

Und dann lerne ich diese Frau auch noch kennen, was habe ich für ein Glück! Umringt von vielen Bewunderinnen erscheint sie einen Tag später, eröffnet ein Frauenfestival und hält einen Vortrag. Neben den wunderbaren Trachten und der ladakhischen Volksmusik, die hier vorgeführt wird, beeindruckt mich das politische / gesellschaftliche Engagement dieser Organisation. In meinem Guesthouse wird zu dem Zeitpunkt auch noch ein Teil ihres neuen Filmes gedreht.
Ich habe den Gedanken an eine spätere Mitarbeit an diesem bzw. an einem neu aufzubauenden Projekt und ich sehe nun meinen Aufenthalt gelassener und denke viel nach.

Nach ein paar Tagen möchte ich noch meinen Traum verwirklichen und über die höchste befahrbare Straße der Welt zur sagenumwobenen Seidenstraße fahren. Ich treffe David und Kathy aus England wieder, die ich in Zanskar kennen gelernt hatte. Welch ein Glück! Wir buchen einen Jeep und los geht’s.
Ist mal wieder eine irre Tour durch die Berge. Da wir aber einen wirklich modernen, ständig geputzten Jeep einschl. ebenso geputztem (!) Fahrer haben, kann ich die 3-tägige Fahrt sogar richtig genießen.


Wir nehmen einen der alten Karawanenwege, heute eine Militärstraße, die höchste befahrbare Straße der Welt zum Khardung La, dem höchsten Punkt: 5.602 m hoch, Superwetter, tolle Aussicht, um uns herum Schnee. Ich will unbedingt die Gebetsfahnen auf einem Hügel fotografieren. Also klettere ich trotz aller Warnungen hoch, kann natürlich mindestens 10 Minuten nicht mehr atmen, aber –  die Sicht auf die Berge mit den Gebetsfahnen und den Mani-Walls ist alles Wert. Und David rettet mich beim Abstieg vor mindestens 14 Tagen Krankenhausaufenthalt, ist ja auch was!

Wir erreichen mit der vorher beantragten Sondergenehmigung das Nubra-Tal, das Tal der Blumen, Äpfel und Aprikosen, eine wieder andere Landschaft im großen Himalayaraum. Wir sehen hoch oben vom Pass aus, wie sich langsam eine wüstenähnliche Landschaft mehr und mehr ausbreitet, umgeben vom höchsten Gebirgszug der Welt, dem Karakorum. 


Schwer vorstellbar, dass dieses Tal im äußersten Dreiländereck zwischen Pakistan, China und Indien liegt. Keine der Grenzen ist vom jeweils anderen Land anerkannt. Pakistan und Indien sind von der so genannten UNO Waffenstillstandslinie getrennt und zwischen China und Indien gibt es einen umstrittenen Grenzstreifen, den die chinesische Armee bei der Besetzung Tibets gleich mitgehen ließ. Ich habe mich selten geographisch und politisch so isoliert gefühlt.

Abends erreichen wir Hunder (sozusagen das Ende von Indien, weil man als Tourist nicht weiter darf) mit viel grün, viele Wasserläufe, hohe Berge auf der einen, Wüste mit Sanddünen und wilden Kamelen auf der anderen Seite, supernettes Guesthouse, hier kann man bleiben. Am Abend unternehmen wir einen gemeinsamen Kamelritt (auf 3 Kamelen, die man vorher erst langwierig einfangen muss, eine witzige Angelegenheit) bei Sonnenuntergang mit dem Ergebnis, dass ich nach dem 15-minütigen Ritt komplett seekrank bin. Aber ich bin glücklich und zufrieden in Anbetracht dieses abendlichen Erlebnisses.

Am nächsten Tag noch mal auf zur „richtigen alten Seidenstraße“, wenn auch nur für einen kurzen Streifzug. Allein der Name ist Legende! Wer denkt dabei nicht an die in der Hitze flimmernden Silhouetten der Kamelkarawanen; die lautlos am Horizont vorüberziehen, einer Fata-Morgana gleich, an die Strapazen und Entbehrungen, und an die vielen Märchen, die an den Nachtfeuern der Karawansereien erzählt wurden? Erwarten uns nun die Räuber, die unsere Habe ergattern wollen? Ne, passiert nix, nur stachelige Büsche säumen den Wegesrand und laden zu keinem weiteren Erkundungsgang ein.
Ich werde die ganze Seidenstraße sowie den Karakorum Highway auf einer weiteren Reise von Pakistan bis nach China später bereisen.

Wir fahren zurück nach Leh. Da die Straße bekannt ist für die vielen Erdrutsche, trifft es uns auch und es ist mal wieder soweit. Nix geht mehr. Ich steige aus unserem Jeep aus und schaue bei den beschwerlichen Räumarbeiten zu. Der Bagger schiebt schwere Gesteinsbrocken von der Straße in eine Schlucht. Eine Stunde ist vergangen bis die ersten Jeeps wieder losfahren können.

Zurück in Leh genieße ich die letzten Tage meiner Reise in meinem wunderbaren Zimmer auf dem Dach eines Privathauses (väterlicher Freund von Helena Norberg-Hodge und Mitarbeiter ihres Buches), völlig alleine, nebenan der private Gebetsraum der Familie, vor mir flattern Gebetsfahnen im Winde und unter mir der riesige Gewürz- und Blumengarten, der einen fast betäubenden Duft verbreitet.


2000 km Zug-, Bus- und Jeepfahrt durch den Himalaya, dem heiligen Gebirge, nach dem Glauben der Hinduisten und Buddhisten Wohnstätten ihrer zahlreichen Götter und Dämonen, liegen nun hinter mir. Gereist bin ich von Delhi nach Kaschmir, weiter über Zanskar nach Leh bis hin zur Seidenstraße. Ich war oft dem Himmel näher als der Erde. Die menschliche Wärme, die von den Bewohnern ausging war faszinierend.

Ich reise ab mit dem Eindruck, eine einmalige Vielfalt an Kulturen, prachtvollen Landschaften und  -  zwar sich modernisierende, aber doch noch weitestgehend in sich ruhende Himalaya-Regionen erlebt zu haben. Möge die von der indischen Regierung erwünschte Globalisierung so lange wie möglich auf sich warten lassen. 


Annette Weirich
08/2005